Entdeckungen abseits der B 158.

Unterwegs mit dem Heimatverein durch unbekanntere Dörfer des Oberbarnim

Man muss die Mark kennen, um sie lieben zu können, sagte Fontane einmal. Ganz besonders trifft das auf die Dörfer des Oberbarnim zu, die nicht mit sagenumwobenen Seen oder spektakulären Bauwerken gesegnet sind. Das sind die meisten. Dennoch atmen diese Orte Geschichte, sind lebendige Zeugen dafür, wie die Mark wurde – und wohin heute die Reise geht. Diese Landschaft unterliegt einem Strukturwandel, wie er wohl letztmalig im 14. Jahrhundert geschah: Damals erlebten die Städte der Mark ihren Aufschwung, die Landwirtschaft konnte ihre Produktivität erheblich steigern und viele Menschen zogen in die Stadt. Zahlreiche Dörfer – so auch Hellersdorf – wurden zu Wüstungen.

Nicht zufällig führte die diesjährige (neunte!) „Dörfertour“ des Heimatvereins in eine Gegend, die mit der Bahn nicht mehr erreichbar ist. Bis Werneuchen fährt noch der Zug, dann kann man bis Werftpfuhl – einem ehemaligen Vorwerk des Gutes Hirschfelde – eine Draisine nehmen... Dann ist Schluss, und links und rechts der B 158 liegen die Orte, die wir am 23. September aufsuchten: Beiersdorf, Freudenberg und eben Hirschfelde. Alle sind Gründungen des frühen 13. Jahrhunderts. Beiersdorf kann 2017 auf 750 Jahre urkundlich belegte Geschichte zurückblicken. Durch den Ort – man erreicht ihn über eine der immer seltener werdenden Alleen Brandenburgs – führte uns der ehrenamtliche Bürgermeister der Doppelgemeinde Beiersdorf-Freudenberg Willi Huwe. Ein Mann, der „seine“ Dörfer liebt, der das Engagement der Einwohner zu bündeln versteht. Man sieht es dem Ort an. Huwe wies auf das Grundproblem der Region hin:  die Bevölkerungsentwicklung. Das hat mit Arbeitsplätzen zu tun. Die Agrargenossenschaft als größtes Unternehmen der Gemeinde hat kaum Arbeitsplätze. Andere Firmen gibt es in allen drei Dörfern genau genommen nicht mehr. In Beiersdorf immerhin noch ein Gasthaus, das aber keine Küche mehr betreibt. Die Dörfler haben es aber geschafft, ein Top-Sportareal zu entwickeln und ihre Kirche zu retten. Infolge von Vernachlässigung stürzte deren Dach in der Silvesternacht 1974 ein. Um ihre Kirche bemühen sich auch die Freudenberger mit großem Elan. Der Innenraum war leider eingerüstet. Und eine Besonderheit hat der Ort: drei Dorfteiche, die miteinander verbunden sind. Drei Teiche besitzt auch Hirschfelde. Und eine wiederum durch bürgerschaftliches Engagement gerettete Dorfkirche, die in wesentlichen Bauteilen auf die romanische Gründungsphase zurückgeht. Seinerzeit gehörte Hirschfelde dem Kloster Zinna. Joachim Schierhorn führte uns durch den Ort, dessen Kern von einem treuhandanstaltlich heruntergewirtschafteten VEG, einem ehemaligen „Rittergut“, dominiert wird. Das Gutsschloss ist inzwischen privatisiert, der Park nicht und schlummert im Dornröschenschlaf. Um 1900 war Hirschfelde berühmt: Der seinerzeitige Besitzer, der Berliner Kohlen-Millionär und Kunst-Mäzen Eduard Arnhold, hatte das Gut erworben. Arnhold legte einen Skulpturenpark an, von dem zumindest noch ein beeindruckender Hirsch Louis Tuaillons auf dem Dorfanger steht. „Hirschfelde“ eben, der Ort hieß aber schon lange vor Arnhold so...
Zum Bevölkerungswandel: Beiersdorf hat 380 Einwohner, Freudenberg 360, auch Hirschfelde unter 400. Allen ist bewusst, dass sie de facto „Schlafdörfer“ sind und Zuzug hauptsächlich durch die Gentrifizierung Berlins kommt. Die bietet ihnen Chancen, bringt aber auch Konflikte mit sich. Die Mitglieder und Gäste des Heimatvereins kehrten nachdenklich, aber mit einer Fülle neuer Eindrücke nach Berlin zurück. Ein ganz besonderer Dank auch diesmal an Albrecht F. Voigt, der die Tour kenntnisreich und akkurat vorbereitete.

Text und Fotos: Wolfgang Brauer